Heinz Schumann, PH Weingarten
Inhalt
Ausgehend von Pierre de Fermat (1601- 1655) wird die Geschichte präformaler Extremwertbestimmung von Funktionen einer reellen Variablen im gymnasialen Unterricht des 19. Jahrhunderts skizziert.
Eine aktuelle didaktische Bewertung dieser Art von Extremwertbe-
stimmung soll unter Berücksichtigung von Computerwerkzeugen für
die Dynamische Geometrie und die Algebra vorgenommen werden.
1 Einleitung
2 Zur Geschichte der präformalen Extremwertbestimmung
im 19. Jahrhundert
2.1 Zur Situation des Mathematikunterrichts an den
(preußischen) Gymnasien
2.2 Bedeutende Arbeiten über elementarisierte Extremwert-
bestimmung
2.2.1 Die Methode von Schaffer
2.2.2 Die Methode von Schellbach
2.2.3 Die Methode von Schrader
2.3 Aktualisierung und Ergänzung der Methode von Schellbach
mittels Computereinsatz
3 Schlussbemerkungen
Vortrag auf der 5. Tagung der Fachsektion Geschichte der Mathematik
Der Deutschen Mathematiker-Vereinigung
(zugleich 6. Sitzung des Arbeitskreises Mathematikgeschichte und Unterricht
der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik
in Bautzen-Schmochtitz (2.6.-6.6. 1999)
Prof.Dr.habil. Heinz Schumann,
Fakultät III, Mathematik/Informatik u. Institut für Bildungsinformatik
PH Weingarten, Kirchplatz 2, D-88250 Weingarten
Email:
Schumann@PH-Weingarten.DeVortragsfolien (Auswahl):
Zur Erfindung der Differentialrechnung haben hauptsächlich
drei Fragestellungen Anstoß gegeben:
(d. h. die Frage nach der Ermittlung der Tangente in einem Punkt einer "krummen Linie")
(d. h. die Frage nach der Berechnung der Geschwindigkeit eines sich auf einer Bahn bewegenden Punktes in einem bestimmten Moment)
(d. h. die Frage nach der Bestimmung des Maximums und Minimums einer Funktion)
Leibnizsche Theorie der relativen Extrema
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716):
"Nova methodus pro maximis et minimis itemque tangentibus" (1684)
SATZ(Leibniz, 1684)*: Notwendig dafür, dass die in [a,b] stetige und in ]a,b[ differenzierbare Funktion x ® f(x) an der Stelle x0]a,b[ ein relatives Extremum besitzt, ist die Bedingung
f '(x0) = 0.
Das Schaubild der Funktion x ® f(x) muß also an einer Stelle x0]a,b[, die ein solches relatives Extremum von f(x) ergeben soll, notwendig eine horizontale Tangente besitzen.
SATZ (Leibniz, 1684): Hinreichend dafür, dass die in [a,b] stetige Funktion x ® f (x), die in ]a,b[ differenzierbar ist und an der Stelle x0]a,b[ eine zweite Ableitung f ''(x0) besitzt, an der Stelle x0 ein eigentliches
relatives Minimum |
relatives Maximum |
besitzt, sind die Bedingungen: f '(x0) = 0, f ''(x0) > 0 |
f '(x0) = 0, f ''(x0) < 0. |
Präformale Extremwertbestimmung
Eine Extremwertbestimmung von reellen Funktionen soll
präformal bzw. elementarisiert genannt werden, wenn sie
nicht die Leibnizsche Theorie der Extrema benutzt
und den Grenzwertbegriff nur implizit verwendet.
___________
* in der heutigen Schreibweise nach Lagrange (1736-1813)
Arbeiten über präformale bzw. elementarisierte Extremwertbestimmung:
Schaffer, J.F.: Geometrische Aufgaben mit vollständigen
Auflösungen zum Selbstunterricht für An-
Fänger. Oldenburg 1816
Schellbach, K.H.: Mathematische Lehrstunden.
Aufgaben aus der Lehre
vom Größten und Kleinsten. Berlin 1860
Martus, H.C.E.: Maxima und Minima.
Ein geometrisches und algebraisches
Übungsbuch für die Schüler höherer
Lehranstalten. Berlin 1861
Schrader, W.: Neue allgemeine Methode zur elementaren
Bestimmung des Maximums und Minimums.
Halle 1862
Förster, C.: Darstellung der elementaren Theorie der Maxima
und Minima und ihre Anwendung.
In: Programm der Domschule zu Güstrow.
Ausgegeben Ostern 1866. S. 1-32b
Karl Heinrich Schellbach
(1804 - 1892)
kann als einer der führenden deutschen "Mathematikdidaktiker"
In der Mitte des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden.
Er gründete das erste Institut zur Ausbildung gymnasialer Mathematik-
u. Physiklehrer ("Schellbachsches Seminar", Berlin 1855)
Mit seiner Denkschrift "Vorschläge zu einer Reform des mathemati-schen und physikalischen Unterrichts an unseren Gymnasien" (1860) gab er wesentliche Impulse für die Mathematik- u. Physiklehreraus-bildung.
Als Autor vor allem methodisch-didaktischer Arbeiten u. Werke über
Themen der Analysis und der Angewandten Mathematik nahm er Ein-fluß auf die Gestaltung des Mathematikunterricht an Gymnasien und Realschulen.
Als Mitherausgeber des "Crelleschen Journals" (ab 1855) und als
Gesprächspartner berühmter zeigenössischer Mathematiker förderte
er die wissenschaftliche Kommunikation.
Literatur:
Müller, F.: Karl Schellbach. Rückblick auf sein wissenschaftliches
Leben. Leipzig 1905
Schellbach, S.17
Schellbach, S.17/18
Schellbach, S. 18
Schellbach, S.24/25
Müller, Seite 106
Müller, S.108/109
Experimentelle Methode
zur Entdeckung und näherungsweisen Lösung
von Extremwertaufgaben mittels dynamischer Geometrie
(Schumann 1998)
(5) Formulierung einer geometrischen Extremwertaufgabe als (allgemeine)
Berechnungsaufgabe.
Elementarisierte Methode zur Berechnung von relativen Extrema*
(nach Schellbach 1860)
(auch unter Berücksichtigung einer Nebenbedingung)
(3) Ausklammern von d und Nullsetzen des wesentlichen Faktors
(4) Gewinnen der Bestimmungsgleichung für xm: d gleich Null setzen
(5) Exaktes (oder näherungsweises) Lösen der Bestimmungsgleichung
(6) Berechnen des Extremwertes durch Einsetzen von xm in f (x)
(Prüfung zulässiger Lösungen im Aufgabenkontext)
(7) Berechnen weiterer gesuchter Größen
______
* im wesentlichen für rationale Funktionen
Computerisierte Lösung der "Schellbach-Aufgabe" Nr. 20 (modifiziert):
... mit dynamischer CABRI-Geometrie
Schellbach dynamisch ...
© 1999 by Heinz Schumann, Zur Geschichte präformaler Extremwertbestimmung, ISSN 0932-2736